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Der digitale Nachlass und seine Abwicklung – Neues vom BGH (Facebook-Fall)

Stirbt ein Mensch, so hinterlässt er heute meist nicht mehr nur einen klassischen Nachlass mit Immobilien, Bankguthaben, Pkws oder beweglichen Gegenständen aller Art. Die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung, auch der Senioren, benutzt heute einen Computer und verfügt über E-Mail-Accounts und Internetzugänge.

Statistisch gesehen sterben jede Minute drei Facebook-Nutzer und über zwei Millionen – Tendenz steigend - der ca. 22 Millionen deutscher Facebooknutzer sind über 55 Jahre alt. Zahlreiche Senioren – sog. Silver-Surfer – verfügen über ein Smartphone, betreiben Online-Banking, lassen sich ihre Zeitung digital zuschicken, bestellen Geschenke für Angehörige im Internet mit Home-Lieferung und schauen sich z.B. als Witwer bei elitepartners.de nach neuen Bekanntschaften für den letzten Lebensabschnitt um.  Während man früher die die relevanten Daten meist in Aktenordnern im Arbeitszimmer fand, werden heute die meisten relevanten Daten auf PC oder Laptop, dem Smartphone oder sonstigen Speichermedien wie Clouds zu finden sein und der E-Mail-Verkehr den Schriftverkehr, Itunes die Plattensammlung, Audible und Kindle die Bücherei, Inhalte in Clouds und auf Smartphones die früheren Fotoalben und Blogs Tagebuchaufzeichnungen ersetzen. Der verstorbene Mensch hinterlässt heute also regelmäßig einen „digitalen Nachlass“. Dazu gehören Hardware, Software, sämtliche digital gespeicherten Daten – privat wie geschäftlich -, Zugänge zum Internet und zu Suchmaschinen mit Access-Provider-Verträgen, virtuelle Konten, Internetdepots, Vertragsbeziehungen zu Internetanbietern mit ggfs. Online-Abos- und -rechnungen, Internetbanking, Mails -und E-Mails-Accounts, Homepages, Domains, Apps, Widgets, Twitter- und WhatsApp-Accounts, Blogs, Mitgliedschaften bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, Tumblr, Xing, LinkedIn mit Blogs und „Tagebuch“-Einträgen, Benutzer- und Firmenprofile im Netz usw. War der Verstorbene an Unternehmen beteiligt, ist es wichtig, dass seine Rechtsnachfolger schnell Zugriff auf seine digitalen Geschäftsdaten bekommen, sonst drohen große Vermögensschäden. Umgekehrt gibt es womöglich kompromittierende digitale „Spuren“ des Verstorbenen aus dem Privatbereich, von denen er nicht will, dass sie nach seinem Tod anderen bekannt werden und die beseitigt werden müssten.

Dabei ist gerade im Bereich „digitaler Nachlass“ die Rechtslage bislang noch sehr unklar gewesen. Jüngst hat der Bundesgerichtshof  (BGH) in Karlsruhe einen bedeutenden Grundsatzprozess, den Berliner „Facebook-Fall“, entschieden und damit für etwas mehr Klarheit gesorgt: Eine 15jährige, die seit ihrem 14. Lebensjahr ein eigenes Facebook-Konto hatte und sich dort breit mit Dritten ausgetauscht hatte, war in Berlin unter ungeklärten Umständen vor eine einfahrende U-Bahn geraten und gestorben. Ihre Mutter verklagte Facebook Irland, ihr und dem Kindesvater als Erben der Verstorbenen Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin befindlichen Kommunikationsinhalten ihrer Tochter zu gewähren. Sie wollte anhand der Facebook-Kommunikation klären, ob der Tod ihrer Tochter Selbstmord war und ggfs. aus welchen Gründen sie sich getötet hat. Das Landgericht Berlin gab in 1. Instanz der Klage vollumfänglich statt. Facebook ging jedoch in die Berufung und 2017 kam das Kammergericht zum genau gegenteiligen Ergebnis, hob das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage der Mutter ab: Aus datenschutzrechtlichen Gründen könne und dürfe Facebook den Erben keinen Zugriff auf die Facebook-Kommunikation der Tochter mit Dritten gewähren. Ob nun die Erben Zugriff auf die Facebook-Konten Verstorbener haben oder nicht, musste nun in 3. Instanz der BGH entscheiden. Sein Urteil vom 12.7.2018 (Az. III ZR 183/17) gab der klagenden Mutter Recht: Den Erben ist Zugriff auf die Facebook-Kommunikation einzuräumen, der Datenschutz steht dem nicht entgegen – so der BGH.

Damit haben die Erben eines Facebook-Nutzers grundsätzlich auch Zugriff auf private/kompromittierende Daten. Viele Internetanbieter werden auf das Urteil reagieren und versuchen, durch Vereinbarungen mit den Kunden den Zugriff der Erben einzuschränken. Wegen der Bedeutung des Zugriffs auf geschäftliche bzw. private digitale Daten und der Rechtsunsicherheit rät Rechtsanwalt Daniel Jung, Fachanwalt für Erbrecht, jedem, der einen digitalen Nachlass hinterlässt, dazu klare Regelungen in seinem letzten Willen zu treffen und festzulegen, wer auf welche Daten Zugriff haben soll, und einen „digitalen Testamentsvollstrecker“ einzusetzen, der nach dem Willen des Verstorbenen den digitalen Nachlass für die Erben abwickelt, ihnen Zugriff auf wichtige Geschäftsdaten bzw. zu digitalen Guthaben verschafft, aber z.B. auch kompromittierende persönliche Daten beseitigt. „Solche Regelungen über den Zugriff auf das digitale Vermögen sollten aber nicht nur für den Todesfall getroffen, sondern auch in einer Vorsorgevollmacht niedergelegt für den Fall, dass man nicht tot, aber nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Auch dann sollte man einen Verwalter für das digitale Vermögen bestimmen.“, so der Erbrechtler von der Kanzlei Halm & Preßer in Neunkirchen. Bislang verschwenden viele Nutzer keine Gedanken an das Problem – mit womöglich gravierenden Folgen: Wenn die Geschäftspartner keinen Zugriff auf den E-Mail-Verkehr  des verstorbenen Mitgesellschafters haben oder umgekehrt die Witwe plötzlich Zugriff auf die Mails an die heimliche Geliebte hat, nehmen der Geldbeutel der Hinterbliebenen und das Andenken des Verstorbenen oft schwere Schäden. Noch kümmern sich wenig Juristen und IT-Spezialisten um die Thematik und bieten Lösungen an.